Ein Blick hinter die Kulissen

Eine Geschichte, für die man sich Zeit nehmen muss, ein Thema, das intensiver Recherche bedarf, kurz: Ein richtig großer Roman – das war es, wonach Sandra Lüpkes sich nach zwanzig Jahren Schriftstellerinnendasein sehnte. Dass sie den Stoff für eben diesen Roman ausgerechnet auf ihrer Heimatinsel Juist finden würde, hat sie dann aber selbst überrascht.
«Ich wusste von der Schule am Meer, aber nicht viel mehr als die meisten anderen Insulaner auch: Es gab da vor knapp hundert Jahren diese besondere Schule, und die ging pleite und wurde von den Nazis geschlossen.»
Erst bei einem Besuch des Juister Küstenmuseums im Herbst 2017, bei dem Lüpkes eine Schautafel über die «Schule am Meer» sah, wurde ihr klar, was das bedeutet: Acht hochqualifizierte Pädagogen gründen ausgerechnet auf einer abgelegenen Insel eine Schule, investieren all ihr Wissen, ihre Energie und auch all ihr Geld in dieses Projekt, und scheitern schließlich an den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen – und an sich selbst.
Sie stürzte sich in die Recherche, las Memoiren von ehemaligen Schülern und Lehrern, durchforstete Nachlässe und Archive, sichtete viele hundert Fotos und machte sich auf die Suche nach den Nachfahren der Lehrerin Anni Reiner, die 1933 als Witwe mit vier Töchtern die Schule verlassen musste, weil sie Jüdin war.
«Ich fand ein Füllhorn an Geschichten, lustige und traurige, empörende und anrührende. Die Schwierigkeit bestand darin, all diese Informationen in ein Buch zu bekommen, das ja kein Sachbuch, sondern ein Roman werden sollte.»
Dabei geholfen hat ihr die Einteilung der Kapitel, die hier als Schuljahre erzählt werden, von der Sexta bis zum Abitur. Es werden jeweils nur wenige Tage herausgestellt, und diese aus der Sicht verschiedener Figuren erzählt.
Vor dem Schreiben eines neuen Kapitels hat Sandra Lüpkes das große Whiteboard an ihrem Schreibplatz bestückt, mit Bildern und Begebenheiten, Skizzen und Beziehunsgmustern. Herausgekommen ist schließlich, nach zweieinhalb Jahren Arbeit, ein knapp 600-Seiten-starker Gesellschaftsroman, der sowohl packend erzählt als auch sehr informativ ist.
«Für mich war es von der ersten bis zur letzten Zeile ein Geschenk, dieses Buch schreiben zu dürfen. Ich hoffe, dieser Enthusiasmus springt bei beim Lesen über.»
Das Leben an der Schule am Meer - Juist 1925
Ein kleines Konzert des Schulorchesters in den Dünen. Der Pianist und Dirigent Eduard Zuckmayer (Bruder des Schriftstellers Carl Zuckmayer) gab seine Karriere auf, um auf Juist Musiklehrer zu werden.
Im Eiswinter 1928/29 war die Insel vom Rest der Welt abgeschnitten, bis auf dem zugefrorenen Strand ein Proviant-Flugzeug landen konnte - eine Premiere auf Juist!
Seekrank durfte man nicht sein, wenn man auf dem schuleigenen Boot anheuerte. Schuldirektor Martin Luserke segelte mit den Schülern über das Watt sogar bis nach Holland.
Jeden Morgen in die Nordsee eintauchen - das war von Mai bis Oktober Pflichtprogramm in der Schule am Meer. Ein Ritual, das Geist und Körper stärken sollte.
Jungen und Mädchen lernen durch Erleben gemeinsam, die Lehrer sind an ihrer Seite statt vorn an der Tafel - die Schule am Meer wirkt heute so modern wie vor 100 Jahren.
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Sandra Lüpkes
Die Schule am Meer
Juist, 1925: Tatkräftig und voller Ideale gründet eine Gruppe von Lehrern am äußersten Rand der Weimarer Republik ein ganz besonderes Internat. Mit eigenen Gärten, Seewasseraquarien und Theaterhalle. Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft: die jüdische Lehrerin Anni Reiner, der Musikpädagoge Eduard Zuckmayer, der zehnjährige Maximilian, der sich ...
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